9. Dezember 1915 Junkers

„Blechesel“ – so bezeichnen die Kameraden von Leutnant von Mallinckrodt halb bewundernd, halb spöttelnd, die neuartige Konstruktion, welche sie kurz vor dem Weihnachtsfest 1915 erstmals zu Gesicht bekommen. Und Mallinckrodt erklärt sich wagemutig bereit, den ersten Junkers’schen Eindecker – ganz aus Metall – zu fliegen. Es gibt noch keinerlei Erfahrungen mit diesem eisenbeplankten und verspannungsfreien Fluggerät, welches er am 12. Dezember 1915 in die Luft bringen möchte.

Die Junkers J 1

Unter den staunenden Blicken seiner Kameraden – unter ihnen auch Leutnant Manfred Freiherr von Richthofen, welcher damals noch Flugschüler war – bringt er das über eine Tonne schwere Flugzeug nach nur 40 Metern zum abheben. Mallinckrodt ist begeistert, hätte er doch mindestens 250 Metern Startbahn gerechnet! Den anfänglich ruhigen Flug beendet Friedrich von Mallinckrodt nach dem alten Pilotengrundsatz: „Wird’s dir oben ungeheuer, nimm Gas weg und gib Tiefensteuer!“. Durch die einsetzenden Schaukelbewegungen fällt leider nicht nur der Flug kürzer, sondern auch die Landung unsanfter aus, als gewollt. Das linke Rad setzt zuerst auf und lässt den Rumpf dabei etwas einknicken. Trotzdem ist gelungen, was Junkers beweisen wollte: Der Blechesel kann fliegen!

Bau der J 1 in einem mit Brettern abgetrennten Montagebereich, um den Vorschriften zur Geheimhaltung der Militärbehörden zu genügen.

Die J 1 ist das Ergebnis vieler Jahre Neugier und Forschung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es kaum Möglichkeiten und auch Interesse, Strömungen messbar zu machen, um aerodynamische Nachteile offen zu legen. Junkers war hier sehr wohl Pionier, auch wenn es bereits eine Reihe von Versuchsanstalten und sogar Windkanälen gab, in welchen bereits grundlegende Erkenntnisse gewonnen wurden. Er beschäftigte sich zunächst intensiv mit dem Flügelprofil, hatte er doch bereits um 1914 das Ziel, einen Flügel zu konstruieren, welcher hohe Lasten aufnehmen sollte. Aufwändige Untersuchungsreihen bestätigten Junkers‘ Vermutungen: nicht allein die Dicke des Flügels entscheidet über seine günstigen Eigenschaften, sondern auch die Form und das Breitenverhältnis. 1924 formulierte er rückblickend seinen (nur konsequenten) nächsten Schritt: „Nachdem ich die Erkenntnis gewonnen hatte, dass der verspannungslose Flügel mit einem verhältnismäßig dicken Profil in aerodynamischer Beziehung außerordentlich günstige Ergebnisse liefern würde, trat die Aufgabe an mich heran, ihn baulich zu verwirklichen.“

Belastungsprobe der J 1 in Anwesenheit von Vertretern der Idflieg.
Belastungsprobe des Versuchsflügels mit 15 Personen. Rechts außen Oberingenieur Hans Steudel, welcher – neben Dr. Otto Mader – maßgeblich an der Entwicklung mitgewirkt hatte.

Im September 1915 wagte er 56jährig nun eben diesen Schritt und bewarb sich damit gleichzeitig auf eine Ausschreibung der Inspektion der Fliegertruppen (Idflieg), die Verwendbarkeit von Metall im Flugzeugbau unter Beweis zu stellen. Die herausragende Arbeit der 15 involvierten Mitarbeiter der Badeofenfabrik von Prof. Junkers ergibt sich deutlich durch einen Bericht seines Meisters Otto Seiffert. Darin erzählt er über den Bau der J 1, dass Duraluminium – der Stoff, aus welchem viele der späteren Junkersflugzeuge sein würden – nicht nur schwer zu beschaffen, sondern schlichtweg keine Erfahrung in der Verarbeitung des hochfesten Metalls vorhanden war, so dass auf Blech zurückgegriffen wurde. Aber auch hier gab es kaum Wissen, wie der 0,1 bis 0,2 mm hauchdünne Stahl zu bearbeiten wäre. Gerade die Schweißarbeiten an den Versuchsflügeln bereiteten in der Vorbereitung lange Zeit Kopfzerbrechen. Doch systematisch wurden die Probleme behoben, so dass nach nur 6 Wochen Bauzeit der 12,95 m breite, 8, 62 m lange und 3,11 m hohe Mitteldecker per Bahn nach Döberitz zur Flugtauglichkeitsprüfung gebracht werden konnte.

Der Daimler DII-Motor, welcher die J 1 mit nur 120 PS zum Fliegen brachte. (© Aconcagua auf Wikipedia unter GNU.)

Angetrieben von einem Daimler DII-Motor mit rund 120 PS erreichte er bei Messungen durchschnittlich 170 km/h – und war damit nicht nur das schnellste Flugzeug der damaligen Zeit, sondern eben auch der erste freitragende Ganzmetalleindecker, welcher zum Fliegen gebracht wurde. Das Pionierstück handwerklicher Fertigkeit und wissenschaftlicher Meisterleistung wurde 1926 dem Deutschen Museum in München zur Verfügung gestellt und dort 1944 bei einem Bombenangriff völlig zerstört. Und auch wenn die J 1 eigentlich militärischen Belangen dienen sollte, musste sie aus Sicht von Professor Junkers nur eines beweisen: dass seine Forschungsergebnisse die Luftfahrt revolutionieren konnten. Denn für kriegerische Einsätze im Ersten Weltkrieg würde die J 1 aufgrund fehlender Steigleistung keine Rolle spielen. Damit blieb sie zwar nur ein unwiederbringliches Einzelstück, aber markiert in der Geschichte den Beginn einer neuen Luftfahrtära.

Jan Christiansen

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Weiterführende Informationen:

Technische Daten der Junkers J 1
http://de.wikipedia.org/wiki/Junkers_J 1
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Daimler_D_II.jpg
http://www.flugzeugforum.de/…

Quellen:

  1. Junkers, Hugo: Eigene Arbeiten auf dem Gebiete des Metallflugzeugbaus (Berichte und Abhandlungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Luftfahrt, Sonderdruck, 11. Heft
  2. Schmitt, Günter: Hugo Junkers, ein Leben für die Technik
  3. Wagner, Wolfgang: Hugo Junkers – Pionier der Luftfahrt – seine Flugzeuge
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