1. Dezember 1922 Junkers

Nach dem erfolgreichen Erstflug und aufsehenerregenden Höhenweltrekord ihres ersten Verkehrsflugzeuges F 13 im Jahre 1919 wollte den Junkerswerken die Markteinführung ihres neuartigen und bahnbrechenden Ganzmetalleindeckers nicht so recht gelingen. Der Ansturm der Käufer blieb aus, da Europa nach dem Ende des ersten Weltkrieges mit Militärflugzeugen überschwemmt war und überall Luftfahrtgesellschaften aus dem Boden schossen, die damit Luftverkehr betrieben. Dabei stand die Postbeförderung im Vordergrund, reisewillige Personen zogen die vertraute Eisenbahn oder das bequeme Auto vor.

Wesentlich besser schienen die Absatzaussichten in dem verkehrstechnisch noch unerschlossenen Südamerika zu sein. Bereits Ende des Jahres 1919 hatte bei Junkers ein Vertreter namens Breuler vorgesprochen, der das Junkers-Verkehrsflugzeug in Argentinien einführen wollte. Er warb damit, dass das Land sehr deutschfreundlich sei, sich die Transportverhältnisse in einem argen Zustand befänden, der erforderliche Brennstoff im Lande selbst gewonnen werden könnte und auch das Klima sehr günstig sei. Für die Flugzeuge gäbe es ein weites Betätigungsfeld, neben Personen könnten auch hochwertige Waren durch das Flugzeug wirtschaftlich befördert werden. Junkers zeigte Interesse und entsandte im Frühjahr 1920 seinen Ingenieur Erich Offermann nach Argentinien. Er hatte den Auftrag, Ausschau nach einer kapitalkräftigen Gesellschaft zu halten, die zur Gründung einer Luftverkehrsgesellschaft bereit wäre. Junkers würde sich mit zwei Flugzeugen als Sacheinlage beteiligen.

Nach seiner Rückkehr bestätigte Offermann die guten Absatzaussichten in Südamerika. Das Kapital für eine Luftverkehrsgesellschaft bekäme man aber nur zusammen, wenn die Flugzeuge an Ort und Stelle vorgeführt würden. Damit wurde dieser Plan erst einmal ad acta gelegt, denn die Kosten für derartige Vorführungsflüge erschienen Junkers dann doch zu hoch. Außerdem hatten sich inzwischen Absatzmöglichkeiten in den USA ergeben, die wesentlich aussichtsreicher erschienen.

Zwei Jahre später rückte der Südamerikamarkt bei Junkers doch wieder in den Mittelpunkt des Interesses. Nach tödlichen Unfällen mit der F 13 bei der amerikanischen Luftpost im Herbst 1921 fand sich in den USA kein Käufer mehr, auch in Europa stockte der Absatz und in den Junkers-Flugzeugwerken stapelten sich unverkäufliche Flugzeuge. Eine Beteiligung an einer Luftverkehrsgesellschaft in Deutschland, der Lloyd-Ostflug, war Anfang 1922 ebenfalls gescheitert.

In dieser Zeit lernte Professor Junkers einen Amerikaner kennen, der auf ihn großen Eindruck machte und seine Südamerikapläne wesentlich beeinflussen sollte. Dieser tauchte erstmals im Sommer 1921 bei Junkers auf. Er stellte sich als Oberst Dr. Edward C. Gibbs vor und gab an, als Arzt im Auftrag des US-amerikanischen Department of Health in Deutschland und Polen Studien über Seuchen anzufertigen. Prof. Junkers, der sehr gesundheitsbewusst war, fasste bald Vertrauen zu diesem Mann, ließ sich von ihm in Sachen gesunde Lebensweise beraten und hielt auch seine Familie dazu an, die Ratschläge dieses Arztes zu beherzigen.

Edward Gibbs beim Besuch des Chefs der amerikanischen Luftstreitkräfte General Mitchell am 24. Febr. 1922 in Dessau v. l. n. r.: Gibbs, General Foulois (Chef der militärischen Mission der USA), General Mitchell und Prof. Junkers

Die Besuche von Oberst Gibbs in Dessau wurden immer häufiger und zogen sich immer mehr in die Länge, das freundschaftliche Verhältnis zwischen beiden Männern vertiefte sich und bald wurden auch geschäftliche Probleme besprochen. In diesen Gesprächen überzeugte Gibbs im Laufe des Jahres 1922 Junkers davon, eine Flugzeugexpedition nach Kuba zu entsenden. Er habe dort beste Beziehungen und werde die Gründung einer kubanischen Luftverkehrsgesellschaft in die Wege leiten. Das dazu nötige Barkapital solle von kubanischen und amerikanischen Geldgebern aufgebracht werden.

Junkers, der sich nach dem Erfolg der kolumbianischen Luftverkehrsgesellschaft Scadta mit dem Verkehrsflugzeug F 13 wieder mit dem Gedanken angefreundet hatte, sich doch noch weiter in Südamerika zu engagieren, erklärte sich bereit, die zwei für Argentinien bestimmten F 13 einen Umweg über Kuba nehmen zu lassen. Zusätzlich stellte er Gibbs 2500 Dollar für die Organisationskosten zur Verfügung und verpflichtete sich, auf eigene Rechnung auch zwei Mitarbeiter nach Kuba zu senden, die Gibbs bei der Gründung der Gesellschaft unterstützen sollten. Falls Gibbs die nötigen Postkonzessionen erhalten und sich für die Rentabilität der Gesellschaft verbürgen könne, würde Junkers 51% des Aktienkapitals, das bis zu einer Million Dollar betragen könne, zeichnen. Gibbs sollte dann die Generalvertretung für die Gesellschaft und einen Aktienanteil erhalten.

Den Auftrag, die Südamerika-Expedition zu organisieren, bekam der Leiter der Abteilung Luftverkehr, Gotthard Sachsenberg. Dieser übersandte am 27. September 1922 an Professor Junkers folgenden Plan: Die Junkers-Vertreter Hermann Bitterich und Eduard Hahn sollten Oberst Gibbs nach Kuba begleiten, um die Ankunft der Flugzeuge und deren Besatzung vorzubereiten und die Vorführungsflüge zu organisieren. Die beiden F 13 mit Piloten und Monteuren sollten Ende November in Havanna eintreffen und mit Unterstützung von Bitterich vierzehn Tage auf Kuba für die zu gründenden Luftverkehrsgesellschaft werben. Während dieser Zeit sollte Eduard Hahn nach Jamaika, Haiti und Saint Thomas (Britische Jungferninseln) reisen, um Vorbereitungen für den Weiterflug der F 13 über die karibischen Inseln nach Trinidad zu treffen und Vorführungsflüge zu organisieren.

Von Trinidad aus sollten beide Flugzeuge entlang der südamerikanischen Küste bis nach Buenos Aires fliegen, dabei sollten Zwischenstopps in den brasilianischen Städten Rio Grande und Porto Alegre eingelegt werden. Dort sollten die Junkersvertreter Wieland und Gronau die Ankunft der Flugzeuge vorbereiten, Prospekte verteilen und finanzkräftige Interessenten zu Probeflügen einladen. Der kaufmännische Leiter der Expedition Eduard Stahl, sollte von Kuba aus mit dem Schiff nach Buenos Aires vorausfahren, um dort für einen gebührenden Empfang der Junkersexpedition zu sorgen. Es war ein großzügiger und kühner Plan, der jedoch in völliger Unkenntnis der Verhältnisse vor Ort aufgestellt worden war und nach Überwindung vieler unvorhergesehener Schwierigkeiten zum Schluss in einer Katastrophe enden sollte.

Während der Vorbereitungen für die Expedition stieß noch ein weiteres Expeditionsmitglied dazu, das Sachsenberg nicht eingeplant hatte: Prof. Junkers ältester Sohn Werner, der als Mechaniker bei der Jfa tätig war, um den Flugzeugbau von Grund auf kennenzulernen, wollte unbedingt an der Expedition teilnehmen. Prof. Junkers schrieb am 27. September 1922 in sein Notizbuch: „Werner, Teilnahme an Reise nach Cuba etc. – Untersuchung auf Tropenfähigkeit in Berlin: u. a. wie er Chinin (gegen Fieber) verträgt. Gegebenenfalls müsste er die ganze Reise mitmachen als Monteur eines der Flugzeuge. Es dürfte nicht vorkommen, dass er unterwegs ausfällt … Wenn er mitgeht, so ist in der Zwischenzeit (etwa 5 Wochen) seine Ausbildung in der Jfa im Kühler-, Behälter- und Schwimmerbau erforderlich; er muß bei der Montage des Schwimmergestells zugegen sein, ferner Reparaturen an den genannte Teilen ausführen können. Der Zeitpunkt der Abreise richtet sich nach der Fertigstellung er Schwimmer.“ Im Oktober 1922 reiste der erste Teil der „Junkers-Expedition Westindien-Südamerika“, wie sie genannt wurde, nach Kuba ab. Dort angekommen, bereiteten die beiden Vertriebsmitarbeiter Hermann Bitterich und Eduard Hahn wie vorgesehen die Ankunft der Flugzeuge vor und knüpften zusammen mit Dr. Gibbs Kontakte zu finanzkräftigen Inselbewohnern, die für eine Beteiligung an einer Luftverkehrsgesellschaft in Frage kamen. In der Presse wurde eifrig Propaganda für das Junkers-Verkehrsflugzeug betrieben.

Am 11. November 1922 ging auch der zweite Teil der Delegation planmäßig in Hamburg an Bord. Mit dem Dampfers „Danzig“ reisten die Expeditionsleiter Erich Stahl und Walter Jastram, der die technische Leitung innehatte, sowie die Piloten Hermann Müller, Max Drewsky, Carl Henze und die Monteure Wilhelm Thill, Werner Junkers und Lindenberg. Die beiden F 13 „Flamingo“ (Kennung: D 217) und „Birkhahn“ (Kennung: D 213) wurden -verpackt in 10 Kisten – auf den Dampfer „Schwarzwald“ verladen.

Als erster erreichte der Dampfer „Danzig“ am 1. Dezember 1922 nach einer stürmischen Überfahrt Havanna, freudig erwartet von Bitterich, Hahn und Oberst Gibbs. Bis zur Ankunft der beiden Flugzeuge eine Woche später wurden Quartiere gesucht, Zollformalitäten erledigt und der Montageplatz vorbereitet. Als die beiden F 13 endlich am 6. Dezember eintrafen, verhinderten jedoch Feiertage und Wochenende die sofortige Löschung des Dampfers, sodass erst am 12. Dezember mit der Montage begonnen werden konnte.

Ausladen der F 13 D 213 in Havanna. Auf dem Flügel: Werner Junkers

Die beiden Vertriebsmitarbeiter Bitterich und Hahn waren inzwischen nicht untätig gewesen. Sie hatten den Senator Dr. Henrique Dolz und dessen Sohn Ricardo, der Rechtsanwalt war, aufgesucht und versucht, beide für die Gründung einer Luftverkehrsgesellschaft zu gewinnen. Dabei mussten sie feststellen, dass Edward Gibbs sie nicht nur bei ihren Bemühungen nicht unterstützte, sondern im Gegenteil noch versuchte, den Geschäftsverkehr zwischen Familie Dolz und den Junkersleuten zu unterbinden und selbst Aktien an Dolz und dessen Freunde zu verkaufen. Dolz gegenüber erklärte Dr. Gibbs, dass er der alleinige Vertreter von Junkers sei und Bitterich und Hahn nur Hilfsdienste leisten würden. Als Bitterich und Hahn ihn daraufhin zur Rede stellten, erklärte Gibbs beide für entlassen.

Die misstrauisch gewordenen Junkersvertreter versuchten daraufhin, bei der amerikanischen Gesandtschaft Informationen über Edward Gibbs einzuholen. Dort stellte sich heraus, dass ein Oberst Gibbs bei der amerikanischen Armee völlig unbekannt sei. Bitterich ließ sich die bei der Gesandtschaft hinterlegte Heimatanschrift von Gibbs geben und fuhr am 10. Dezember 1922 an die angegebene Adresse nach New York. Dort musste er feststellen, dass niemand einen Oberst Edward Gibbs kannte, sondern nur ein Arzt namens Charles Gibbs in der Gegend tätig sei. Dieser erklärte Bitterich, dass er mit einem Oberst Gibbs nicht identisch sei, aber in letzter Zeit laufend mit Post für einen Edward Gibbs belästigt werden würde.

Als Nächstes suchte Bitterich das Departement of Health auf, um festzustellen, ob Gibbs tatsächlich im Auftrage der hiesigen Regierung in Deutschland und Polen Studien betreffs Einschleppung von Seuchen unternommen habe. Dort erkannte man Gibbs anhand eines Lichtbildes. Bitterich erfuhr, dass Gibbs vor einigen Jahren bei dem Gesundheitsdepartement erschienen sei und ein Exposé über sein angebliches Studium der Seuchen vorgelegt habe, welches dem dortigen Leiter sehr imponiert habe. Er hätte Gibbs schriftlich gebeten, falls er wieder nach Deutschland und Polen reise, ihm weitere Informationen über dieses Gebiet zukommen zu lassen. Mit diesem Schreiben sei Gibbs dann, wie es sich später herausgestellt habe, in verschiedenen Kreisen vorstellig geworden, habe sich Mittel bis zur Höhe von Dollar 2.000.- von den einzelnen Personen für seine Reise vorschießen lassen, immer mit dem Hinweis darauf, dass er als offizieller Vertreter des Departements of Health reise. Er sei dann verschwunden und habe nichts mehr von sich hören lassen. Nach und nach seien seine Gläubiger beim Gesundheitsdepartement aufgetaucht, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Hier wurde ihnen erklärt, dass die Regierung mit Herrn Gibbs an und für sich nichts zu tun hätte.

Zum Schluss erfuhr Bitterich noch vom Vater eines Freundes von Gibbs, dass dieser weder einen Doktortitel habe noch jemals Arzt gewesen sei, sondern vor dem 1. Weltkrieg als Lebensversicherungsagent und während des Krieges als Wachposten bei den Wasserwerken New Yorks tätig war.

Nach Havanna zurückgekehrt, informierte Bitterich die Junkerswerke über seine Ermittlungsergebnisse. Prof. Junkers konnte dem Bericht seines Vertreters erst keinen rechten Glauben schenken und wollte Gibbs Gelegenheit geben, sich zu erklären. Aber dieser hatte sich inzwischen mit seiner Frau aus dem Staub gemacht hatte.

Montage der beiden F 13 in Havanna

Während der Abwesenheit von Bitterich waren inzwischen die beiden F 13 auf einer Schiffswerft in Havanna fertig montiert und an ihren Liegeplatz an der Almendaresbucht überführt worden. Der erste offizielle Flug war für den 20. Dezember 1922 angesetzt worden und die Familie Dolz hatte dazu die Spitzen der Gesellschaft und die Presse eingeladen. Um jedes böse Omen von den Vorführungsflügen fernzuhalten, hatten die Junkersleute sogar die Kennung der F 13 „Birkhahn“ von D 213 in D 218 umgeändert.

Die beiden Expeditionsflugzeuge in der Almendaresbucht

Die Vorführung der Flugzeuge zog sich am ersten Tag über drei Stunden hin und wurde als gesellschaftliches Ereignis gefeiert. Rund 60 Personen nahmen an den Rundflügen teil und betrachteten sich Havanna von oben. Zwischenfälle gab es nicht. An den folgenden Tagen wurden die Passagierflüge gegen eine Gebühr von 10 Dollar für einen Rundflug von 20 Minuten fortgesetzt.

Luftbild von Havanna, aufgenommen aus einer F 13 während der Rundflüge

Ende Dezember 1922 sollten die Vorführungsflüge mit beiden F 13 in Santiago de Cuba fortgesetzt werden, um eventuell dort kapitalkräftige Interessenten für eine Luftverkehrsgesellschaft zu finden, als das erste Missgeschick den sorgfältig ausgearbeiteten Plan durcheinanderbrachte. Pilot Henze beschädigte bei einer Landung mit der F 13 „Birkhahn“ auf See einen Schwimmer, so dass das Flugzeug für längere Zeit ausfiel und Pilot Max Drewsky zusammen mit Bordmonteur Werner Junkers mit der F 13 „Flamingo“ den Flug nach Santiago de Cuba allein antreten musste.

Zu Propagandazwecken waren zu diesem ersten Langstreckenflug auf Kuba ein Pressevertreter und ein Abgeordneter eingeladen worden. Die anderen beiden Passagierplätze hatten die Expeditionsmitglieder Eduard Hahn und Walter Jastram eingenommen.

Beim Start machte sich erstmals ein Umstand bemerkbar, der anfangs unterschätzt worden war, aber die Expedition im weiteren Verlauf noch häufig in Schwierigkeiten bringen sollte. Ein Langstreckenflug mit einem vollbesetzten Wasserflugzeug war kaum möglich, da die Leistung des 185-PS-BMW-Motors zu schwach war, um ein vollgetanktes Flugzeug mit Gepäck, Werkzeug und Ersatzteilen aus dem Wasser zu heben. Bei den vorherigen Rundflügen war das nicht aufgefallen, da zu diesen Flügen nur die Passagiere und sonst keine weitere Zuladung mitgenommen worden waren. Nach mehreren Fehlstarts mussten Hahn und Jastram aussteigen und den Zug nehmen. Die F 13 „Flamingo“ erreichte nun ohne weitere Vorkommnisse nach sechs Stunden Flug Santiago de Cuba, wo sie begeistert empfangen wurde.

Am 1. Januar 1923 kehrte Drewsky mit der F 13 „Flamingo“ über Antilla nach Havanna zurück und setzte dort, da der „Birkhahn“ immer noch nicht einsatzbereit war, die Rundflüge allein fort.

F 13 über dem Morro-Castle von Havanna

Wie es weitergeht, erfahren Sie im nächsten Kalenderblatt Nr. 41im Januar 2011.

Angelika Hofmann

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