8. Juli 1892 Junkers

Am 8. Juli 1892, einem Freitag, meldete ein junger Ingenieur namens Hugo Junkers ein Patent an, das sein ganzes weiteres Leben entscheidend beeinflussen und dessen Umsetzung und Vervollkommnung ihn bis in das hohe Alter beschäftigen sollte.

Das Patent Nr. 66961 mit der umständlichen Bezeichnung „Hochdruck-Gasmaschine mit zwei in demselben Arbeitsraum in entgegengesetzter Richtung sich bewegenden Kolben“ war das Ergebnis einer mehrjährigen Zusammenarbeit mit dem Dessauer Ingenieur Wilhelm v. Oechelhaeuser, der die Arbeit an diesem Motor veranlasst und finanziert hatte. Der neuartige Motor ging deshalb auch als „Junkers-Oechelhaeuser-Gegenkolbenmotor“ in die Technikgeschichte ein.

Patentzeichnung Gegenkolbenmotor von Junkers und Oechelhaeuser

Hugo Junkers hatte nach seinem Studium bereits einige Jahre als Ingenieur in verschiedenen Maschinenfabriken gearbeitet, als er im Sommer 1887 beschloss, an weiteren Lehrveranstaltungen an der Technischen Hochschule Charlottenburg teilzunehmen. Besonders faszinierten ihn die Lehren von Prof. Slaby über Elektromechanik.
„Hierbei hörte ich auch Vorlesungen über mir bis dahin noch ganz fremde Maschinen, nämlich Feuerluft- und Gas-maschinen“, schrieb der 32jährige Hugo Junkers am 1. November 1891 an seine Stiefmutter. „Dieselben interessierten mich außerordentlich. Sie zeigten mir wonach ich schon lange gesucht, ein neues großes Ziel für meine Thätigkeit. Sie eröffneten mir die Aussicht auf eine Verbesserung und Vervollkommnung der Maschinen zur Krafterzeugung. Ich ging mit allen Kräften ans Werk. Die Examens- und sonstigen Arbeiten wurden erst vernachlässigt und dann ganz aufgeschoben. Immer tiefer versenkte ich mich in diese Sache. Nicht Tags noch Nachts, Sonntags und Feiertags ließ es mich in Ruhe. …“

Hugo Junkers hatte eine Aufgabe gefunden, die ihn von da ab ein Leben lang begleiten sollte: die Vervollkommnung des Verbrennungsmotors.

Das Interesse für einen leistungsfähigen Motor kam bei Hugo Junkers nicht von ungefähr. Sein Vater Heinrich, der eine Textilfabrik betrieb, hatte ihn bereits während des Studiums herangezogen, wenn es Probleme mit den sehr anfälligen Dampfmaschinen gab, mit denen er die Webstühle betrieb.

Im elektrotechnischen Laboratorium an der Technischen Hochschule Charlottenburg experimentierte man zu dieser Zeit bereits mit einem Viertaktmotor. Diesen Motor hatte Nikolaus Otto im Jahre 1867 auf der Pariser Weltausstellung erstmals präsentiert. Er wurde ursprünglich mit Gas betrieben; nach Erfindung der elektrischen Zündung im Jahre 1884 konnten aber auch flüssige Brennstoffe verwendet werden. Viel mehr als 100 PS Leistung hielt man aber mit diesem Motor damals nicht für möglich.

Bei seinen Experimenten mit dem Viertaktmotor im Elektrotechnischen Laboratorium kam Junkers nun im Februar 1888 zu der Auffassung, dass man den Motor auch anders konstruieren und mit „zwei unter 180° versetzten Zylindern“ betreiben kann – die Idee des Gegenkolbenmotors war geboren.

Die Begeisterung seines Schülers für den Gasmotor blieb Prof. Slaby nicht verborgen und als im Herbst 1888 der mit ihm eng befreundete Ingenieur Wilhelm v. Oechelhaeuser einen Mit-arbeiter für die Entwicklung eines Gasmotors suchte, verhalf er Hugo Junkers durch seine Empfehlung zu einer Stellung in der von Oechelhaeusers Vater geleiteten „Deutschen Continental-Gasgesellschaft“ (DCGG) in Dessau.

Das Haupttätigkeitsfeld der „Deutschen Continental-Gasgesellschaft“ war die Erzeugung von Stadtgas. Damit wurden die Straßen der Großstädte beleuchtet und auch Straßenbahnen betrieben. Nach Erfindung der Akkumulatoren wurde das Stadtgas jedoch bald durch die Elektrizität verdrängt. Das zwang die DCGG zur Umorientierung. Am 13. September 1888 eröffnete sie als zweite Firma in Deutschland ein Elektrizitätswerk. Als Krafterzeuger sollten Gasmotoren verwendet werden. Zur Verfügung standen damals aber nur 60 PS-Ottomotoren, die für den Betrieb einer Elektrizitätszentrale auf die Dauer nicht ausreichend waren.

Oberingenieur Wilhelm v. Oechelhaeuser entschloss sich daraufhin, den Bau einer Großgasmaschine selbst in die Hand zu nehmen. Für seine Versuche verwendete er einen kleinen Benzmotor, der immer wieder umgebaut werden musste. Dazu fehlte ihm aber die konstruktive Erfahrung. Hugo Junkers bekam nun die Aufgabe, die Benzmaschine den Versuchsanforderungen von Oechelhaeuser immer wieder anzupassen. Bald stellte es sich jedoch heraus, dass dieser Weg nicht zum Ziele führen konnte.

Junkers versuchte nun, das Motorenproblem auf eine ganz neue Art zu lösen: Er ging es grundsätzlich an. Zuerst einmal fragte er sich, was er erreichen wollte, was sein Motor leisten sollte, und was die größten Schwierigkeiten bei der Erreichung seines Zieles waren. Diese Schwierigkeiten zerlegte er in Einzelprobleme, die er durch einfache Versuchsanordnungen und Versuchsmaschinen, die er dazu entwickelte, zu lösen versuchte.

Oechelhaeuser, der nach dem Tode seines Vaters die Leitung der DCGG übernommen hatte, ließ Junkers für die Versuche immer mehr freie Hand. Endgültig umgewandelt wurde das Arbeitsverhältnis durch die Gründung der „Versuchs-Station für Gasmotoren von Oechelhaeuser & Junkers“ am 1. Februar 1890: Aus dem Angestellten Hugo Junkers wurde ein Teilhaber des Fabrikanten Oechelhaeuser.

Ingenieur Hugo Junkers im Jahre 1892

Mit Hilfe der drei neu eingestellten Ingenieure August Wagener, Emil Wergien und Wilhelm Lynen konstruierte und baute Hugo Junkers auf der Grundlage der Oechelhaeuserschen Experimente 1892 den ersten 100-PS-Gegenkolben-Zweitakt-Gasmotor, den er am 8. Juli zum Patent anmeldete. Voller Stolz schrieb er an seinen Onkel Jean:

„… Freilich dreht sich, wie Du richtig sagst, meine Hauptthätigkeit um die Gasmaschine ist es mir in Verbindung mit Herrn von Oechelhaeuser gelungen, ein gradezu glänzendes Ergebniß hierin zu erzielen, indem wir eine Gasmaschine erfunden haben, welche allen andern Systemen weit überlegen ist. Diese Maschine ist der Gegenstand des Dir bekann-ten Kontraktes mit der Bamag, welche damit das Fabrikationsrecht für Deutschland erhält. Für die andern Länder werden in ähnlicher Weise Licenzen noch ertheilt werden. Diese Maschine ist zur Patentirung in allen größeren Kulturstaaten angemeldet.

Was die Vorzüge der Maschine selbst anbelangt, so würde es zu weit führen, Dir hier ausführlich darüber zu berichten. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Maschine der Öffentlichkeit übergeben wird, was bis jetzt aus begreiflichen Gründen vermieden wurde, und dann wirst Du von berufener Seite schon da Näheres darüber hören. Einstweilen will ich nur kurz erwähnen, daß sie in erster Linie bezl. des außerord. verringerten Gasconsums, dann aber auch bezl. des geringen Gewichtes und der einfachen Construc Herstellungspreise etc. die besten Systeme weit hinter sich läßt.“

Zweiter Gegenkolben-Zweitakt-Gasmotor von 200 PS (1893)

Welche anstrengenden und kräftezehrenden Weg Junkers hinter sich hatte, schildert er in dem gleichen Brief:

„Der Allmächtige weiß, was ich ausgestanden habe. Glaube nur nicht, daß die bewußte Maschinenfabrik etwa aus rein menschlicher Anerkennung meines Fleißes und Strebens mir auch nur einen Heller gegeben hätte, weder sie noch sonst Jemand, mit dem ich in geschäftlicher Beziehung gestanden habe. Hätten die Versuche noch länger gedauert oder wären meine Kräfte erlahmt – und es war wahrlich oft nicht mehr weit davon – bevor das Ziel erreicht war, so wäre es mir einfach ergangen, wie schon so manchem armen Teufel vor mir: der große Haufe hätte mich als verschrobenen Kopf ausgelacht und in eine gewisse Acht erklärt. Die besseren Mitmenschen hätten Mitleid mit mir gehabt, aber mich als an fixen Ideen leidend angesehen.

Du wirst mir nachfühlen können, daß ich wieder aufatme und anfange mich als Mensch zu fühlen, gesund und unbändiger Kraft bewußt und wieder frei von der schwarzen Sorge, die mich wie ein Gespenst verfolgte, durch Überanstrengung und schlaflose Nächte in den traurigen Zustand gerathen, wo der Geist nicht mehr dem freien Willen unterthan ist. Es ist nun Alles anders. Es wird wieder heller fröhlicher Tag nach langer, langer Nacht. …“

Die Deutsche Continental-Gas-Gesellschaft gab nach Fertigstellung des Doppelkolbenmotors 5 Millionen Mark Obligationen aus. Zur Produktion des Motors wurde die Berlin-Anhaltische Maschinenbau Aktiengesellschaft (Bamag) ausersehen, an der die DCCG finanziell beteiligt war. Aus dem Lizenzvertrag mit der Bamag sollte Junkers nach der Patenterteilung 50.000 Mark erhalten, seine erste größere Geldeinnahme nach langer finanzieller Durststrecke.

Diesem Motor folgt 1893 noch ein zweiter mit einer Leistung von 200 PS. Beide blieben jedoch Versuchsmotoren, denn inzwischen hatten sich die wirtschaftlichen Bedingungen für den Bau dieser Motoren grundlegend geändert. Durch die Erfindung des Gasglühlichtes stiegen die Gaspreise zum Ende des 19. Jahrhunderts so drastisch an, dass der Betrieb von Großgasmaschinen mit Steinkohlengas unwirtschaftlich wurde. Oechelhaeuser und Junkers lösten ihre Teilhaberschaft und Junkers machte sich als „Civilingenieur“ selbständig.

Weitere Forschungen von Hugo Junkers führten zu einem nach dem Dieselverfahren betriebenen Motor mit zwei in einem Zylinder gegenläufig arbeitenden Kolben, welche Einlass und Auslass selbst steuern; er wurde am 27. September 1907 patentiert. Die nach diesem Patent gebauten und weiterentwickelten Motoren wurden auf Schiffen, in Fahrzeugen und als stationäre Motoren zur Stromerzeugung eingesetzt.

Werbung für Junkers Motoren

Wichtigstes Ziel war für Prof. Junkers aber der Bau eines Dieselflugmotors. Er versprach sich davon einen sicheren und sparsamen Antrieb für seine Verkehrsflugzeuge – eine unabdingbare Vorraussetzung für einen eigenwirtschaftlichen Luftverkehr.

Der 1916 gebaute Flugmotor Fo 2 erreicht bereits 500 PS, der darauf folgende Fünfzylindermotor Fo 3 aus dem Jahre 1923/24 erzielt eine Leistung von 830 PS. Im Jahre 1931 endlich hatte Junkers sein Ziel erreicht: Mit dem ersten flugfähigen Junkers-Dieselmotor Fo 4 flog eine umgebaute G 24 am 30. August 1929 von Dessau nach Köln. Als JUMO 4 fand er später Verwendung in verschiedenen Junkersflugzeugen, so im damals größten Landflugzeug G 38.

JUMO 4, eingebaut in eine F 24, bei der Vorführung im Beisein von Prof. Junkers am 22. April 1931 in Berlin-Tempelhof

Der 1932 erstmals gebaute Sechszylinder-Gegenkolben-Dieselmotor JUMO 205 mit 880 PS bei 2800 U/min war der erste und einzige in größeren Stückzahlen gebaute Dieselflugmotor. Er war zuverlässig, verbrauchte nur wenig Kraftstoff und war deshalb bei der Lufthansa sehr beliebt. Neben Junkersflugzeugen vom Typ Ju 86 wurden damit auch die Flugboote Dornier Do 18 und Blohm & Voss Ha 139 ausgerüstet.

Ju 52/3m mit drei Schwerölflugmotoren JUMO 205 C

Angelika Hofmann

Quellen:

  1. Entwurf eines Briefes von Hugo Junkers an Onkel Jean vom 21.10.1892
  2. Archiv in Gauting: Allgemeine Korrespondenz 1892
  3. Oechelhaeuser, W. v.: Ein Beitrag zur Geschichte der Großgasmotoren
  4. Aus deutscher Technik und Kultur, S. 216
  5. Wolfgang Wagner: Hugo Junkers. Pionier der Luftfahrt – seine Flugzeuge. – München, 1996

Weiterführende Informationen:

Junkers Motorenentwicklung
Junkers Flugzeugtypen: F 24

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