21. Oktober 1892 Junkers

„Ich bin ein rauher Krieger und habe in der Schule des Lebens gelernt, mich auf mich selbst zu stellen, mich nicht auf das Urteil und das Wohlwollen der großen Masse von Menschen zu verlassen. Ich frage mich längst nicht mehr danach, was die große Menge von mir denkt, wenn ich mich nur vor mir selbst rechtfertigen kann. Umso mehr ist aber das tiefe Bedürfnis in mir vorhanden, einzelne treue Seelen zu haben, welche echt menschlich denken und empfinden, welche sich nicht durch raue Äußerlichkeiten abhalten lassen, den guten Kern zu suchen. Solche Menschen sind selten wie Diamanten; sie geben Trost und Stärkung in den bitteren Kämpfen des Lebens… Die Welt ist ein großes Lotteriespiel mit Treffern und Nieten. Es können nicht alle das große Los gewinnen. Vielleicht gibt einen kleinen Trost das Bewußtsein, sich doch als brauchbarer Mitmensch zu erweisen. Ich werfe nicht feige die Flinte ins Korn.“ (Briefentwurf, Dessau, 29.06.1894)

So charakterisierte sich Junkers in einer Zeit und Phase tiefer Selbsterkenntnis, 35-jährig im Jahre 1894. Gut eineinhalb Jahre zuvor, am 18. Oktober 1892 hatte er sein erstes eigenes Unternehmen gegründet. Der letzte Satz des Zitates lässt erahnen, dass die Auftragslage der Kleinunternehmung „Hugo Junkers – Civil-Ingenieur“ recht bescheiden aussehen musste. Dabei hatte Junkers recht gute Voraussetzungen für den ersten eigenen „Gehversuch“.

Civil-Ingenieur Hugo Junkers

Junkers entstammte einer durchaus erfolgreichen Unternehmerfamilie. Sein Vater Heinrich Junkers hatte – ganze im Sinne der textilunternehmerischen Familientradition – eine große Weberei in Rheydt aufgebaut. Dies sorgte wiederum für unbeschwerte, sozial gesicherte Verhältnisse, in welchen aufzuwachsen zur damaligen Zeit gewiss nicht selbstverständlich war. Darüber hinaus ermöglichte der Vater seinen Söhnen frühzeitig tiefere Einblicke in das Unternehmertum. So übertrug er Hugo Junkers bereits mit 24 Jahren die technische Leitung der Weberei. Im Zuge seines Bildungsweges hatte Hugo Junkers aber noch weitere Möglichkeiten seinen Horizont kräftig zu erweitern. So arbeitete er zum Beispiel für die Rheydter Maschinenfabriken von Klingelhöffer, Mehler oder Schippers, sowie für das Patentanwalt-Büro Brydges & Co. Neben diesen ersten praktischen Erfahrungen strebte Junkers aber auch stets nach der Vervollkommnung seines theoretischen Fundamentes. So belegte er trotz erreichtem Studienabschluss in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts vielfältige Studienfächer in Aachen und Berlin. Elektrotechnik, Elektromechanik, Gewerberecht und Nationalökonomie sollten – wenn auch vielleicht auch unbewusst – grundlegendes Wissen für seine Zukunft bilden.

Neben seinem Vater, welcher seinen Kindern ein beträchtliches Vermögen bei seinem Unfalltod im Jahre 1887 hinterließ, konnte Junkers auch auf neue Förderer zugreifen. Eine der wichtigsten Verbindungen baute er während seiner Berliner Studienzeit zu Professor Adolf Slaby auf. Dieser erkannte nicht nur sein Potenzial, seine selbstaufopfernden Bestrebungen und seinen Willen zur selbständigen Lösung technischer Probleme, sondern stellte auch weitere wichtige Kontakte zu Persönlichkeiten her, welche seinen Lebensweg grundlegend zeichnen würden. Einer dieser Pfade führte Junkers nach Dessau zur „Deutschen Continental-Gasgesellschaft“, zu welcher eben jener Slaby Beziehungen pflegte. Der erste Schritt zu dieser Verbindung war recht einfach: Wilhelm von Oechelhäuser junior, technischer Direktor des familieneigenen Unternehmen, benötigte einen neuartigen Gasmotor zur Stromerzeugung. Dieser musste jedoch erst entwickelt werden. Er ging auf Prof. Slaby zu, welcher ein hochanerkannter, praxisorientierter Wissenschaftler und Techniker war. Dieser wiederum beschäftigte den jungen und ehrgeizigen Ingenieur Hugo Junkers in seinem Maschinelaboratorium. Nun war es nur noch eine Frage verschiedener Gespräche, bis beide Seiten zusammen gebracht waren.

Adolf, Wilhelm jun. und Wilhelm sen. Oechelhaeuser

Nach längeren Verhandlungen fanden Junkers und Oechelhäuser einen für beide Seiten befriedigenden Kompromiss, welcher zur Anstellung von Junkers mit dem Auftrag der Gasmotorenentwicklung führte. Die daraus entstehenden Patente durften allerdings ausschließlich durch die Deutschen Continental-Gasgesellschaft verwertet werden. Die Zusammenarbeit gedieh trotzdem prächtig. Schon 1890 wurde aus dem Angestellten- ein partnerschaftliches Verhältnis, welches Junkers Drang zur Selbständigkeit mehr Rechnung trug. Junkers konnte nun eigenes Personal anstellen und die Versuche ausschließlich nach seinem Forschungsprinzip absolvieren. Im Ergebnis stand bereits im Juli 1892 der Eintrag der neu entwickelten Hochdruck-Gasmaschine ins Patentregister unmittelbar bevor.

Muster für neuen Kalorimeter-Prospekt, etwa Febr. 1896

Im Zuge seiner praktischen Forschungsarbeit entwickelte Junkers jedoch nicht nur einen Gasmotor. Durch seine systematische, jedes Problem in einzelne prüf- und lösbare Bestandteile zerlegende Vorgehensweise, stieß Junkers auch auf das Problem der Heizwertbestimmung von Gasen. Denn nur die genaue und schnelle Bestimmung der Heizleistung des verbrannten Gases, ließ reale Rückschlüsse auf die geleistete Arbeit des Gasmotors zu. Zu diesem Zeck entwickelte Junkers das Kalorimeter. Eine einfache, aber ebenso geniale Erfindung. Hier war sein erster Ansprechpartner aber nicht Oechelhäuser, sondern Prof. Slaby, welcher die Konstruktion beurteilen sollte.

Kalorimeterapparatur Modell 1922

Dieser bestätigte ihm die Genialität des vorgelegten Wärmemeßgerätes mit folgenden Worten: „Es ist damit ein Resultat erzielt, welches ich nach den wenig befriedigenden Erfahrungen, die ich bisher mit Calorimetern für continuirliche Verbrennung gemacht habe, für ausgeschlossen hielt.“ (Junkers & Co, Firmenprospekt, Dessau, ca. 1896)

Man kann mutmaßen, ob dieser Brief vom 12. Oktober 1892 Hugo Junkers den letzten notwendigen Impuls gab, welcher zu seiner ersten Firmengründung führte. Rein rechtlich befand sich Junkers eigentlich im unternehmerischen Partnerverhältnis zu Oechelhäuser, so dass die Gründung einer eigenen Firma sicherlich strittig hätte sein können. Ziemlich unverfroren muss jedoch seine Idee, mit dieser Kleinunternehmung, auf dem gewerbsmäßigen Vertrieb des Kalorimeters beruhend, einen gelungenen Start in die Selbständigkeit vollführen zu können, auf Oechelhäuser gewirkt haben. Dem stand schließlich klar der Gesellschaftervertrag entgegen, welcher „alle durch die Unternehmen gewonnenen wissenschaftlichen und praktischen Ergebnisse und Erfindungen ohne Rücksicht auf den jeweiligen Urheber als gemeinschaftlichen Besitz zu betrachten.“ (Auszug aus dem Gesellschaftervertrag zur „Versuchsstation für Gasmotoren von Oechelhäuser & Junkers“, §7, Januar 1892)

Oechelhäuser reagierte jedoch sehr kulant auf die vertragswidrigen Bestrebungen seines Geschäftspartners und überließ ihm nicht nur den namentlichen Eintrag beim Patentamt, sondern auch die vollständige wirtschaftliche Ausbeutung der Erfindung. Damit war der Weg frei für Hugo Junkers‘ erste eigene Firma.

Die erste Firma: Hugo Junkers, Civil-Ingenieur

Im April 1893 lösten die beiden Unternehmer den fünfjährigen Vertrag in beiderseitigem und freundschaftlichem Verhältnis vorzeitig auf. Junkers packte seine Koffer und sein Kalorimeter ein und fuhr in de USA, um auf der Weltausstellung seine Erfindung zu präsentieren, aber auch geschäftliche Kontakte zu knüpfen. Das Kalorimeter wurde dort sogar ausgezeichnet – weiterreichende Beziehungen konnte er aber nicht aufbauen. Der anfängliche Auszug aus einem Brief spiegelt somit den recht erfolglosen Versuch wider, sich vom Erfinder mit Unternehmergeist zum Unternehmer mit Forscherdrang zu wandeln. Er zeigt jedoch auch im letzten Satz – „Ich werfe nicht feige die Flinte ins Korn.“ – das seine Willenskraft stärker als die Resignation vor großen Aufgaben war. Bereits 1895 ging Junkers eine weitere wichtige Bindung mit einem gewissen Dr. Robert Ludwig ein, einem alten Studienfreund, um die später so erfolgreiche Junkers & Co. zu gründen. Und als Kapital brachte Junkers eben diese, bis dahin zwar recht erfolglose, aber für den kommenden Schritt sehr wichtige Firma „Hugo Junkers – Civil-Ingenieur“ ein.

Jan Christiansen

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Weiterführende Informationen:

Leben und Werk von Hugo Junkers
Das Kalorimeter

Quellen:

  1. Schmitt, Günter: Hugo Junkers, ein Leben für die Technik
  2. Wagner, Wolfgang: Hugo Junkers – Pionier der Luftfahrt – seine Flugzeuge
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