3. März 1923 Junkers

In Rio de Janeiro hatten sich die Junkersvertreter Walter Stahl und Hans Gronau inzwischen sorgfältig auf das Eintreffen der Südamerikaexpedition vorbereitet. Das Programm war in großen Zügen festgelegt, die Liste der einzuladenden Gäste ausgearbeitet und die technischen Vorbereitungen für die geplanten Rundflüge getroffen worden, doch sie warteten vergeblich auf die beiden Flugzeuge … Über die gefahrvolle Weiterreise der beiden F 13 „Flamingo“ und „Birkhahn“ von Venezuela nach Brasilien und die sich dabei immer mehr häufenden Schwierigkeiten berichtete Expeditionsleiter Walter Jastram später an die Junkerswerke:

„Am 3. März wurde die Weiterreise nach Cumaná angetreten. In Cumaná wurde Brennstoff aufgefüllt und gelangten wir am gleichen Tage nach Pedernales in Venezuela (Orinocomündung). In Cumaná machte „Birkhahn“ durch Kerzenstörungen und wesentlich überlasteter Maschine (800 kg Zuladung) 3 Fehlstarts und kam beim 4. Start wegen gebrochener vorderer Außenstrebe und eingedrücktem Motorspant (Angriffspunkt der ersten Steuerbordstrebe) aus dem Wasser. Nach notdürftiger Reparatur (Überschieben eines Rohres über die gebrochene Strebe und Verspannen derselben nach allen Seiten) wurde am 4. März der Flug fortgesetzt. Wegen Kerzenstörung musste „Flamingo“ auf diesem Fluge bis Barima zweimal landen.

In Barima angekommen erfuhren wir, dass der dorthin bereits seit langem avisierte Brennstoff nicht angekommen sei. Bis Georgetown hatten die beiden Maschinen nicht genügend Brennstoff. Wir haben uns dann entschlossen, da Barima lediglich Leuchtfeuer ist und absolut keine Verbindung auf keinen Draht mit dem Hinterland hat, beide Maschinen soweit wie irgend möglich an Georgetown heranzufliegen, der einen Maschine allen Brennstoff zu übergeben, damit dieselbe allein vorausflöge, um Brennstoff für die zweite Maschine heranzuholen. Das hat gut geklappt. In Georgetown beschädigte bei der Landung „Flamingo“ ebenso wie vorher „Birkhahn“ den vorhin erwähnten Motorenspant. In Georgetown wurden die Kühler gelötet, der beim Rollen beschädigte Propeller der „Birkhahn“ gewechselt und die zerbrochene Schwimmerstrebe repariert.

Wilhelm Thill (vorn), Werner Junkers (links) und Hermann Müller (rechts) bei der Reparatur eines Schwimmers

In Paramaribo erhielt „Birkhahn“ den mitgeführten Reservehauptkühler. Außerdem wurden die beschädigten Motorspante beider Maschinen durch Auflegen einer starken Blechlasche zwischen Spant und Strebebeschlag repariert. Beim Start in Georgetown wurden, da die Maschinen wiederum erheblich überlastet waren, einige Streben des Schwimmergestells verbogen. Dies ist wohl dadurch zu erklären, dass durch das beschädigte Motorfundament und die schon vielfach geknickten und immer wieder gerichteten Außenstreben die Beanspruchung der gesamten Schwimmerstreben eine sehr Ungleiche wurde. Alle diese Streben wurden teilweise gerichtet bzw. verstärkt.

Da uns die Landung zwecks Brennstoffübernahme in Cayenne verweigert wurde, haben wir nach Albina, der Grenzstadt von holl. Guayana, Brennstoff mit einem Dampfer vorausgeschickt. Die Entfernung von Albina bis Para beträgt 1200 km und so wollten wir wiederum beide Maschinen so nahe wie möglich an Para heranfliegen, die eine vorausschicken zum Brennstoffholen für die andere.

F 13 D-217 und D-218 in Paramaribo

Am 14. März flogen wir von Paramaribo nach Albina und hatten beabsichtigt, den folgenden Morgen weiter nach Para zu starten. In Albina selbst waren uns eine Anzahl Gefangene zur Verfügung gestellt worden, die bereits den Brennstoff an den Landeplatz gebracht hatten. „Flamingo“ landete jedoch mit stark leckendem Kühler und so mussten wir den Start am folgenden Morgen aufgeben. Während wir bis Georgetown verhältnismäßig wenig Regen hatten, regnete es von dort ab täglich, das erschwerte die Fliegerei nicht unbedeutend, denn das Wasser kommt in diesen Gegenden in solchen Mengen vom Himmel, dass ein Fliegen zumindest nicht ungefährlich ist, um das Zwischenlanden drückt man sich natürlich auch so viel wie irgend möglich, da jede Landung nicht nur gefahrbringend für die Maschine ist, sondern das Wiederherauskommen aus dem Wasser den Maschinen noch viel mehr schadet.

Nach verschiedenen Fehlstarts am 15. und 16. März – die Startverhältnisse in Albina waren sehr ungünstig -, kamen wir am 17. endlich heraus. „Flamingo“ konnte auch hier absolut nicht loskommen, bis „Birkhahn“ sich dicht vor ihn setzte und ihn anblies.“

(Schreiben Jastram an Jfa und Abt. Luftverkehr vom 15. Mai 1923)

F 13 D 218 am Strand von Albina

Es sollte die letzte Hilfeleistung des „Birkhahn“ für den „Flamingo“ sein, denn wenige Stunden später musste die F 13 „Birkhahn“ den Flug allein fortsetzen. Was war geschehen?

Schon bald nach dem Start kam ein heftiges Unwetter auf, dass die beiden Piloten zwang, nur noch in niedriger Höhe über dem Wasser zu fliegen, um die Orientierung nicht zu verlieren. Da die See sehr stürmisch war, wollten sie das Risiko einer Landung in dieser unbewohnten Wildnis nicht eingehen. Als sie sich gegen 13.45 Uhr über der Mündung des Oyapock kurz vor der brasilianischen Grenze befanden, bemerkte der Expeditionsleiter Jastram, der als dritter Mann im vorausfliegenden „Birkhahn“ saß und aus dem offenen Cockpitfenster hin und wieder nach dem 300 Meter hinter ihm fliegenden „Flamingo“ Ausschau hielt, dass das Flugzeug plötzlich kopfüber im Wasser lag und von Drewsky und Thill nichts zu sehen war. Sofort wies er den neben ihm sitzenden Piloten Müller an, umzukehren und längsseits der verunglückten Maschine zu landen. Das Unterfangen erwies sich als sehr schwierig, da die See sehr unruhig war und Hermann Müller das zweite Flugzeug nicht auch noch in Gefahr bringen wollte.

Nach der Landung entdeckten sie Drewsky, der auf einen Schwimmer geklettert war und bis zum Bauch im Wasser stand. Jastram warf dem völlig erschöpften Drewsky Rettungsleinen zu und versuchte damit, ihn auf die Tragfläche des „Birkhahn“ zu ziehen, was ihm auch nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang. Von Thill war weit und breit nichts zu sehen. Pilot Hermann Müller wollte nach Thill tauchen, aber inzwischen umkreisten Haifische das Wrack und Jastram wollte nicht noch einen Mann verlieren. Schon bei der Landung des „Birkhahn“ und der vorsichtigen Annäherung an den „Flamingo“ war soviel Zeit vergangen, dass Wilhelm Thill inzwischen mit Sicherheit ertrunken war.

Wilhelm Thill

Nachdem sie Max Drewsky in Sicherheit gebracht hatten, erfuhren Werner Junkers, Hermann Müller und Walter Jastram von ihm, was sich zugetragen hatte.

Drewsky hatte in sehr niedriger Höhe eine heftige Böe passiert und wollte die Maschine gerade wieder ansteigen lassen, als ein plötzlicher Ruck durch das Flugzeug ging und es aus 10 Meter Höhe in das Wasser stürzte und sich überschlug. Mit viel Mühe konnte sich Drewsky aus dem Anschnallgurt befreien. Durch das oben offene Cockpit erreichte er mit knapper Not die Wasseroberfläche und rettete sich auf einen abgebrochenen Schwimmer. Thill war wahrscheinlich beim Aufprall ohnmächtig geworden und konnte sich deshalb nicht mehr selbst befreien.

Als Ursache für den Absturz vermutete Drewsky, wie er auch später zu Protokoll gab, dass Thill bei dem Versuch, sich etwas Essbares hinter seinem Sitz hervorzuholen, die Steuersäule der Doppelsteuerung berührt hatte. Da Drewsky aus dem offenen Cockpitfenster den Blickkontakt zu dem knapp vor ihm fliegenden Führungsflugzeug halten musste, hatte er nur bemerkt, dass Thill sich gerade anschickte zu frühstücken, als das Flugzeug nach unten stürzte.

Die völlig geschockten Expeditionsmitglieder konnten sich lange nicht entschließen, die Unfallstelle zu verlassen, aber ein Verbleiben war sinnlos, denn die Maschine sackte immer mehr ab, sodass ein Herankommen oder gar Heben des Flugzeuges völlig unmöglich war. Schweren Herzens entschlossen sich die vier Männer zum Abflug.

Inzwischen war es Abend geworden und sie mussten auf der Insel Maraca übernachten. Am nächsten Morgen flogen sie mit dem letzten Rest Brennstoff weiter nach Macapa, wo sie den Unfall telegrafisch nach Dessau berichteten. Da in diesem Ort kein Brennstoff aufzutreiben war, fuhren Drewsky und Jastram mit einem Segelboot nach Belem do Para, um dort Gasolin zu besorgen.

Am 25. März 1923 trafen Drewsky und Jastram mit dem Segelboot „Marina“ in Parà ein. Als erstes suchten sie das deutsche Konsulat auf, um den Unfallhergang zu Protokoll zu geben. Auch Werkzeug und Proviant musste besorgt werden, da beides in dem nur mit zwei Personen besetzten „Flamingo“ transportiert worden und nun verloren war.

Zwei Tage später kehrte Drewsky mit dem Brennstoff und Werkzeug nach Macapa zurück. Jastram war in Parà verblieben, weil das Flugzeug mit Werkzeug und drei Personen schon an der Belastungsgrenze stand und weil er als verantwortlicher Leiter mit den Nerven völlig fertig war.

Nachdem Walter Drewsky mit dem Gasolin eingetroffen war, wurde die F 13 „Birkhahn“ startbereit gemacht zum Weiterflug nach Belem do Para, wo Jastram auf sie wartete. Kurz nach dem Start gerieten sie wieder in einen heftigen Tropenregen und waren gezwungen, auf der Insel Fechta in der Mündung des Amazonenstromes zu landen. Das Unwetter war so heftig, dass das Flugzeug über Nacht auf die See abgetrieben wurde. Erst bei Tagesanbruch gelang es, das Flugzeug wieder ans Ufer zu bringen. Am 3. April 1923 traf der „Birkhahn“ dann endlich in Parà ein.

F 13 D 218 nach der Ankunft in Para

Über das Ende der ersten Junkers-Südamerika-Expedition berichten wir im Kalenderblatt September 2011.

Angelika Hofmann

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