10. September 1931 Junkers
Nr. 39 [September 2010]

Am 10. September 1931 – einem Donnerstag – startete in Lissabon eine W 33 morgens um 9 Uhr dreißig zu einem Flug nach Nordamerika. Das Flugzeug trug den Namen „Espírito de Santo Agostinho“, kurz ESA genannt, und gehörte Wilhelm Rody aus Bad Ems. Dieser junge Mann aus reichem Hause hatte eine größere Erbschaft gemacht und wollte sich einen großen Traum erfüllen: einen Flug als Passagier von Berlin nach New York. Die erste Etappe von Berlin nach Lissabon hatte er bereits hinter sich gebracht, jetzt folgte der schwierigste Teil der Reise – der Flug über den Transatlantik.

Als Piloten hatte Rody den Hamburger Friedrich Johannsen angeheuert, die Rolle des Copiloten übernahm ab Lissabon der Portugiese Fernando da Costa Veiga.

Junkers W 33 „Queen of the Air“

Das von Rody für den Flug erworbene Junkersflugzeug W 33 mit der Kennung D-2072 war bereits einmal zuvor für einen Ozeanflug vorgesehen gewesen. Kurz nach der ersten gelungenen Ost-West-Überquerung des Atlantiks durch Köhl, Fitzmaurice und v. Hünefeld im April 1928 hatte der amerikanische Millionär Charles Levine eine fabrikneue W 33 erworben, um damit zusammen mit seiner Geliebten Miss Mabel Boll, die wegen ihrer Vorliebe für teuren Schmuck auch „Queen of Diamond“ genannt wurde, und dem Piloten Bert Acosta von London nach New York zu fliegen.

Sowohl Levine als auch Acosta hatten Erfahrungen im Ozeanflug, denn beide hatten in verschiedenen Flugzeugen kurze Zeit nach Charles Lindbergh im Juni 1927 den Transatlantik von West nach Ost überquert. Levine war der erste Passagier eines Fluges von New York nach Berlin in einem Bellanca-Flugzeug unter Führung von Clarence Chamberlain gewesen. Bert Acosta hatte zusammen mit Richard Byrd 33 Tage nach dem Lindberghflug in einem dreimotorigen Fokkerflugzeug den Ozean überquert und war am 29. Juni 1927 in Frankreich gelandet. Er hatte als ehemaliger Pilot der Junkers-Larsen-Gesellschaft Erfahrungen mit Junkersflugzeugen und bereits 1920/21 in den USA mit der Junkers F 13 Rekorde aufgestellt.

Die von Levine erworbene W 33 mit der Werknummer 2516 war am 28. August 1928 in London eingetroffen und hatte dort den Namen „Queen of the Air“ erhalten, jedoch kam der Flug wegen Geldmangels nicht zustande. Auf dem Transport nach Amerika wurde die W 33 schwer beschädigt, anschließend auf der Junkerswerft Leipzig repariert und an Wilhelm Rody verkauft.

Rody, Johannsen und Veiga hatten die Route über die Azoren gewählt, weil sie sich hier bessere Wetterbedingungen versprachen als auf der Strecke über Irland, die die Ozeanflieger Köhl, Fitzmaurice und v. Hünefeld im April 1928 bei ihrer ersten Ost-West-Überquerung des Atlantiks mit der W 33 „Bremen“ geflogen waren. Die dort auftretenden Stürme und Nebelwände hatten letztendlich dazu geführt, dass sich die Bremen-Besatzung verflogen hatte und auf der Insel Greenly Island vor Labrador gelandet war.

Aber auch Rody und seine Piloten sollten von Unwettern nicht verschont bleiben. Nachdem sie ohne größere Probleme die Azoren unter sich gelassen hatten, kam am Abend ein schweres Gewitter auf. Sie mussten mit der W 33 bis auf eine Höhe von 2800 Meter ausweichen und nach den Sternen navigieren. Noch während der Nacht versagte auch noch eine Zündkerze und einer der sechs Zylinder musste wegen Brandgefahr stillgelegt werden. Die restlichen fünf Zylinder liefen nun auf Vollgas und verbrauchten mehr Brennstoff als vorgesehen.

Am Freitagmorgen war schlechtes Wetter, starker Gegenwind und geringe Sicht zwangen Flugkapitän Johannsen, bis fast zu Wasseroberfläche herunterzugehen. Nach 35½ Stunden Flugzeit sichtete Johannsen den Dampfer „Pennland“ und umkreiste ihn mehrmals. Nach seiner Standortbestimmung mussten sie in der Nähe der amerikanischen Küste sein. Die Männer hofften jeden Augenblick auf Land zu stoßen, als der Brennstoff zu Ende ging. Johannsen blieb nichts weiter übrig, als mit dem Landflugzeug eine Landung auf dem Wasser zu versuchen. Die Ingenieure der Jfa hatten ihm für einen solchen Fall eine Überlebensdauer des Flugzeuges auf dem Wasser von 20 Stunden in Aussicht gestellt.

Hoffnung gab ihm die Tatsache, dass sie sich offensichtlich in der Nähe der Dampferroute zwischen Halifax und den Azoren befanden und es sicher nicht lange dauern würde, bis sie entdeckt würden.

Die Landung selbst bereitete keine Probleme. Johannsen setzte das Flugzeug glatt gegen einen anlaufenden Wellenberg auf. Als die Räder das Wasser berührten, gab es zwar einen kleinen Stoß, das Flugzeug zeigte jedoch keine Neigung, sich nach vorn zu überschlagen. Kurz darauf verschwanden die Flächen jedoch fast völlig unter Wasser und die starken Wellenbewegungen führten bald dazu, dass die Außenflächen abbrachen. Glücklicherweise blieben dabei die leeren Tanks in den Flügelstümpfen und im Rumpf unbeschädigt und wasserdicht. Der Fassungsraum der Brennstoffbehälter und damit ihr Auftrieb im Wasser betrug 2883 kg, das Fluggewicht der leeren Maschine mit den drei Mann Besatzung aber nur 1750 kg, so dass ein reichlicher Überschuss an Auftrieb vorhanden war. Die Verteilung der Behälter über eine große Fläche gab dem Wrack die nötige Stabilität, so dass es sich längere Zeit über Wasser halten konnte.

Skizze der Brennstoffbehälter

Im Gegensatz zu den Treibstofftanks war die Kabine nicht wasserdicht. Nach kurzer Zeit drang das Wasser ein und schwemmte als erstes die Lebensmittel weg. Der dreiköpfigen Besatzung blieb nur noch ein Päckchen Schokolade und neun Liter destilliertes Wasser, das für den Kühler bestimmt gewesen war.

Die Nacht zum Samstag musste die Besatzung in völliger Dunkelheit verbringen, da auch die Beleuchtung nicht mehr funktionierte. Abwechselnd mussten sich die Männer mit voller Körperkraft gegen die Kabinentür stemmen, damit kein Wasser mehr eindringen und das Flugzeug doch noch zum Sinken bringen konnte. Am Morgen waren sie bis auf die Haut durchnässt und reichlich erschöpft.

Kabine mit großen Brennstofftanks

Am Samstagmorgen herrschte trübes Wetter, das sich auch die folgenden Tage nicht änderte. Die Männer gingen gleich daran, ihre Lage soweit wie möglich zu verbessern. Veiga verschnürte mit Hilfe von Drähten und Stricken die beschädigte Tür, so dass ein Dagegenstemmen nicht mehr notwendig war. Die Besatzung bereute nun bitter, dass sie aus Gewichtsersparnisgründen keine Radio-Anlage mitgenommen hatte. Trotzdem waren alle drei voller Hoffnung, bald entdeckt und gerettet zu werden. Ihre einzige Befürchtung war, dass das Flugzeug nach Ablauf der von Junkers garantierten 20 Stunden sinken würde.

Der Samstag verging, ohne dass ein Dampfer zu sehen war. Am frühen Abend war der gefürchtete Zeitpunkt herangerückt. „Einer hat gesagt: Die zwanzigste Stunde, und wir sind davon überzeugt, dass die Maschine jetzt untergeht“, berichtete Veiga später. „Wir erwarten in jeder Sekunde den Tod; aber wir fürchten ihn nicht. Ich besitze einen kleinen Revolver. Wenn es soweit ist, erschieße ich mich. Und ich schneide mir die Pulsadern auf, sagt Rody. Ich ersaufe mit dem kleinen Apparat: es ist egal, wie man stirbt. Dem Kapitän liegt nichts am Heldentod. Aber der leitende Ingenieur der Junkerswerke hat sich geirrt. Das kleine Wunderwerk geht nicht unter.“ Am Sonntag umkreisten Möwen mit ihren Jungen das Wrack. Das bestätigte Veiga in der Annahme, dass es nicht weit bis zum Festland sein kann. „Johannsen hat schrecklichen Hunger. Die schmale Schokoladenration ist ein Witz. Er singt mit mir. Mich plagt nur der Durst und die winzige Kratzwunde am Knie. Das Salzwasser spült immer darüber weg.“ Vergeblich suchten die drei Männer auch an diesem Tag mit dem Fernstecher das weite Meer ab, kein Schiff erschien am Horizont.

Am Montag schien endlich die Sonne und der Optimismus gewann wieder Oberhand. Das Flugzeug war noch immer seetüchtig und wahrscheinlich suchten schon Schiffe und Flugzeuge nach ihnen, glaubte die Besatzung. Es sei sicher nur eine Frage von Stunden, bis sie gefunden würden.

„Johannsen litt stark unter Hunger, und wir alle hatten Durst. Einen quälenden, peinigenden Durst“, beschrieb Veiga später die Situation. „Jeder konnte nur täglich zwei Bissen Schokolade essen, und zum Trinken gab es nur einige Schluck Wasser. Wenn es regnete, saßen wir mit aufgesperrten Mäulern in der Kabine und trachteten das Wasser, das an den Wänden entlang rann, aufzufangen.“

Das schlimmste Unwetter überstand das Flugzeug in der Nacht vom Montag zum Dienstag, wo nach Schätzung der Besatzung Seegang 6 – 7 herrschte. Aber auch diese schwere Prüfung überstand das Flugzeug ohne zu sinken.

Auch die beiden folgenden Tage brachten keine Erlösung aus der verfahrenen Situation. „Zähneklappernd kauerten wir auf unseren Plätzen. Die Füße hatten wir in Schlingen gesteckt, um sie vor dem Wasser, das die Kabine beinahe in Meterhöhe bedeckte, zu schützen. Natürlich sahen wir häufig hinaus, in der geheimen Hoffnung, das rettende Schiff endlich zu erspähen. Aber trotz des ausgezeichneten Fernglases reichte die Sicht kaum über zwei Kilometer hinaus, und außer den schäumenden, schmutziggrünen Wellen war nichts zu sehen.“

Am Donnerstagmorgen endlich erblickte Veiga sich aus dem Fenster beugend ein Schiff. Erst glaubte er zu halluzinieren, aber seine beiden Kameraden bestätigten, was er gesehen hatte: In wenigen Kilometern Entfernung fuhr ein Dampfer. „Von neuen Kräften erfüllt und wie elektrisiert sprangen wir auf. Johannsen wurde von Rody und mir an den Beinen festgehalten, während er sich mit dem Oberkörper aus dem Flugzeug stemmte. Wir hatten an einem langen Rohr eine kleine Fahne befestigt, mit ihr winkte er verzweifelt. Allmählich wurden seine Bewegungen langsamer und das fremde Schiff immer kleiner. Es war weitergefahren, ohne uns zu bemerken. An diesem Tage sprachen wir kein Wort mehr. Apathisch lagen wir auf unseren Plätzen. Die folgende Nacht war die schlimmste …“

Am Freitag, den 18. September verzehrten sie das letzte Stück Schokolade, und Johannsen ging, um die restlichen Tropfen Wasser aus dem Kühler zu holen. Plötzlich hörte Veiga die Stimme Rodys: „Ein Schiff! Ein Schiff!“ „Veiga sprang auf, beugte sich aus dem Flugzeugrumpf und winkte. „Ich winkte noch mit meiner Fahne, als die „Belmoira“ längst neben unserem Wrack stand und eine Treppe hinuntergelassen wurde, auf der wir hinaufspazieren konnten, hinauf in das herrliche wiedergefundene Leben.“

Nach 158 Stunden auf dem Wasser war die W 33 „ESA“ von dem norwegischen Dampfer „Belmoira“ 45,26 Grad nördlicher Breite und 54,31 Grad westlicher Länge gesichtet und die Besatzung gerettet worden. Leider konnte die W 33 wegen unzureichender Krananlage nicht auf das Schiff gehoben werden, sie blieb treibend auf dem Ozean zurück.

In ihrer Heimat hatte man schon die Hoffnung aufgegeben, die Ozeanflieger je lebend wiederzusehen. Hocherfreut berichtete „Die grüne Post“ am 4. Oktober 1931:

und die Zeitschrift „Luftschau“ vom 24. Oktober 1931 bilanzierte:
„Johannsen, Rody und Veiga sind nach Hamburg zurückgekehrt, die drei Männer, die der Welt bewiesen haben, dass ein Landflugzeug ohne Luftsäcke 6,5 Tage auf dem Ozean bei grober See allein auf den leeren Tanks schwimmen kann. Wenn durch diesen unbeabsichtigten Beweis auch das Vorhaben der drei Männer, Amerika auf dem nächsten Luftwege zu erreichen, vereitelt wurde, so bleibt ihre Leistung, mit Überlegung und Zähigkeit das Flugzeug schwimmfähig gehalten zu haben, ebenso anerkennenswert und großartig wie die Leistung des Junkers-Flugzeuges W 33, der alten „Queen of the Air“ aus dem Jahre 1927, der D-2072, die nach Verbrauch des letzten Tropfens Brennstoff einen Atlantik-Schwimmdauerrekord aufstellen konnte …“

Nachtrag:
Frau Leonore Weissenburger, deren Vater mit Wilhelm Rody befreundet war, sandte uns freundlicherweise folgende Ergänzung zu diesem Kalenderblatt:

„Nachtrag aus den Aufzeichnungen meines Vaters, nach Aussagen von Willy Rody:

Beim Start musste ein Spezialwagen unter dem Sporn die überschwere Maschine anheben. Die Startbahn war ca. 2 km lang, der Flughafen Lissabon dafür extra verlängert worden. Der Spezialwagen löste sich nach dem Abheben.

Tausende Zuschauer hatten sich in Lissabon eingefunden und bejubelten den geglückten Start am 13. September 1931.

Nachdem der Treibstoff aufgebraucht war, mussten sie auf dem Ozean notlanden. Es war ca. 20 Uhr, dunkel, starker Seegang. Rody sagte wörtlich: Wäre das Ufer nur 100 Meter entfernt gewesen, ich hätte es nicht gewagt hin zu schwimmen.

In New York hatte man einen Funkspruch von einem Passagierschiff erhalten, die Maschine in unmittelbarer Nähe des Landes gesehen zu haben, wo man die Landung in ca. 1 Std. erwartete. Rody hatte beim Überfliegen des Schiffes auf ein Blatt S.O.S. gemalt und abgeworfen, der Notruf wurde nicht gesehen. So mussten sie 7 Tage auf Rettung warten.

Der Durst war unerträglich, nachdem der Liter Wasser verbraucht war. Rody kroch bei ruhigem Seegang zum Motor, saugte Kühlwasser ab und flößte es den Kameraden durch ein Taschentuch ein, ein Schluck alle paar Stunden.

Ein russischer Frachter entdeckte sie, nahm sie an Bord. Nachdem der letzte der drei die Maschine verlassen hatte, schwamm sie höher auf, vom Seegang schlug Wasser hinein, sie kippte und sank innerhalb weniger Minuten.

Der Frachter war auf dem Weg nach Europa, übergab die drei aber wenig später an einen Luxusliner, der auf dem Weg nach New York war. Rody berichtete, die wohlhabenden Passagiere seien schon alle mit Foto- und Filmkameras ausgestattet gewesen, es habe um sie herum nur so geschnurrt vor laufenden Kameras. Ein Filmdokument davon existiert bereits im Internet unter www.criticalpast.com/….

Empfang von Johannsen, Rody und Veiga in New York
Pressekonferenz in New York

Willy Rody führte nach seinem Abenteuer nie mehr ein bürgerliches Leben. Er mietete in der Nähe seines Elternhauses ein möbliertes Zimmer, hatte eine Dauerverlobte, Erna Dauernheim, die er nie heiratete. Er verdiente Geld durch Systemspiele, vor allem an der Wiesbadener Spielbank, verkaufte diese Systeme auch. Er selber war kein Spieler sondern er studierte die Psychologie der Spieler und wertete sie für sich aus.

Trotz einfacher Verhältnisse nahm er nie Geld vom Staat in Anspruch, konnte immer für sich sorgen und war stets tadellos gekleidet.

Er war ca. 1905 geboren, starb etwa 1964.

Leonore Weissenburger, nach den Aufzeichnungen meines Vaters November 2010″

Weitere Informationen zur Freundschaft von Eugen Weissenburger mit Wilhelm Rody finden Sie auf der Internetseite  www.weissenburgerdesign.de/….

Angelika Hofmann

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Weiterführende Informationen:

Junkers W 33
Atlantiküberquerung der W 33 Bremen

Quellen:

  1. Junkers Nachrichten, 1932, Nr. 1, S. 19 ff.
  2. Warum schwimmt ein Landflugzeug? Zum „Dauerschwimmrekord“ der Junkers D 2072. – Junkers-Nachrichtendienst, Meldung vom 23.09.1931
  3. Eichler: Bericht über die Ausrüstung des Ozean-Flugzeuges von Herrn Rody und Johannsen. – Dessau, den 22.09.1931.
  4. Fernando de Costa Veiga: Drei Flieger treiben auf dem Ozean. In: Sturmvogel, 1931, S. 142/143.
  5. Vocke: Ozeanflug von Rody, Johannsen und Veiga. In: Luftfahrt international, 1981, Nr. 9, S. 355.
  6. PDF-Datei Portugiesisch – www.emfa.pt.
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